Die Ethik der Buchrestaurierung & Papierrestaurierung

Begriffsdefinition


Restaurierung - Konservierung - Reparatur


Restaurierung

Das Verb restaurieren  kommt aus dem lateinischen und bedeutet soviel wie "den ursprünglichen Zustand wiederherstellen". Doch dies ist in der restauratorischen Praxis schlichtweg nicht möglich. Eine Beschädigung kann nicht ungeschehen oder rückgängig gemacht werden, sie kann nicht unsichtbar gemacht werden. 


 Restaurieren heißt nicht "wieder neu" machen


Oftmals ist über die Jahrhunderte der so genannte "ursprüngliche Zustand" eines Buches gar nicht mehr erkennbar und kann nur aufgrund von vorgefundenden Materialfragmenten, verwendeter Technik oder Stilelementen gedeutet werden. Wenn man von einer Restaurierung spricht, kommen daher schnell Missverständnisse auf.

 

Die Erwartungen der Kunden an eine Buchrestaurierung oder auch Papierrestaurierung sind meist hoch und oft schaut man in enttäuschte Blicke, wenn das restaurierte Buch oder die Grafik nicht in neuem strahlenden Glanz erscheint. Wenn man eben noch Flecken erkennt und das Leder oder Pergament gräulich geblieben ist, da seine Patina erhalten wurde.

 

Meistens fällt zwar der Begriff Restaurierung, doch meint man häufig eine Renovierung oder Rekonstruktion, die das Objekt "wie neu" aussehen lässt. Die falsche Verwendung und Fehldeutung des Begriffs Restaurierung kann schwerwiegende negative Folgen haben, denn sie können die Originalsubstanz eines kulturhistorisch bedeutsamen Objektes gefährden. Bei einer fachgerecht durchgeführten Buch- oder Papierrestaurierung kann man nicht mit einem "ahhh" und "ohhh" Ausrufen verursachenden Vorher-Nachher-Effekt aufwarten.

 

Ziel jeder Buchrestaurierung und Papierrestaurierung ist die Wiederherstellung der Benutzbarkeit, unter der Berücksichtigung aller ästhetischen, historischen und pysischen Eigenschaften des Objektes. Das heißt, es kann nur die dem Lebensalter des Buches oder der Grafik angemessene Gebrauchsfähigkeit wiederhergestellt werden.

 

Hier kann möglicherweise eine Fehlstelle mit neuem, dem Original entsprechendem Material ergänzt werden, brüchige Bereiche gefestigt, Risse geschlossen oder möglicherweise eine frühere Reparatur rückgängig gemacht werden.

 

Konservierung

Papierrestaurierung Buchrestaurierung
hauchdünnes Japanpapier über Schrift

Ziel einer Konservierung ist es, den vorgefundenen Zustand zu stabilisieren und vor weiterem Verfall zu bewahren. Es ist also eine rein erhaltende Maßnahme. Hierzu zählen zum Beispiel das Niederkleben von losen Einbandteilen oder das Sichern von Blattkanten.

 

Die präventive Konservierung

Die präventiven Konservierung umfasst alle Arbeiten, die ohne am Objekt selbst tätig zu werden, das Objekt vor weiterem Verfall und vor Schaden schützt. Dazu zählt zum Beispiel die Kontrolle und Optimierung der Licht- und Klimaverhältnisse und die Versorgung der Objekte durch angemessene Schutzverpackungen wie beispielsweise Kassetten.

Reparatur

Eine Reparatur soll ein beschädigtes Buch wieder gebrauchsfähig machen. Hier spielen die historischen Begebenheiten kaum eine Rolle, handelt es sich meist um Kinder- und Kochbücher und Familienbibeln.

Die Grundsätze in der Buch- und Papierrestaurierung

Die "Blaubeurener Empfehlungen" als Leitfaden

Die Blaubeurener Empfehlungen fassen die Richtlinien zusammen, die beispielhaft für sinnvolles Vorgehen in der Restaurierung sind.

  • Verwendete Materialien müssen alterungsbeständig sein und mindestens der Din.... entsprechen
  • Reversibilität: alle Arbeitsschritte müssen reversibel sein, d.h. sie müssen wieder rückgängig zu machen sein. Dies wird durch die Verwendung von wasserlöslichen Klebstoffen wie Weizenstärkekleister, tierischer Leim etc. gewährleistet.
  • Originalsubstanz soweit wie möglich erhalten
  • Gleiches mit gleichem ergänzen: wo eine Ergänzung nötig ist, sollte dies der Originalsubstanz entsprechen
  • Authentizität, also Erscheinungsbild erhalten
  • keine Verfälschung
  • alle Fragmente, die für forschende Zecke bedeutsam sein könnten, sollen erhalten werden, soweit sie das Buch nicht weiter gefährden.
  • Erstellung eines Restaurierungsprotokolls mit Fotodokumentation (abhängig vom Auftraggeber und Restaurierungsaufwand)
Ergänzung Lederbünde
Buchrestaurierung: Bundergänzung

Der Minimaleingriff

Buchrestaurierung Kapital
Muster von Kapitaltechniken

Daher ist das Ziel einer fachgerechten Buchrestaurierung immer die Eingriffe so minimal wie möglich zu halten.


Restaurierung Pergamentband
Buchrestaurierung: Pergamentrücken lose

In der Vergangenheit wurde viel Schaden durch eine unsensible Buchrestaurierung angerichtet. Dabei befand man sich im Glauben, das Beste für das Objekt zu tun. So hat man in den 60er Jahren zum Beispiel unersetzbare Handschriften zwischen Folien geklebt, also laminiert. Nun, fast 60 Jahre später stehen Restauratoren vor einer riesigen Herausforderung, diese Folien wieder abzulösen. Die Handschriften sind teilweise über 500 Jahre alt. Tintenfraß geschädigte Bestände wurden einer wässrigen Entsäuerung unterzogen, da bekannt war, das Wasser die Festigkeit von Papier erhöht. Keiner bedachte die möglichen negativen chemischen Prozesse der Eisenionen der Tinte mit dem Wasser. Es wurden Klebstoffe verwendet, die Weichmacher enthalten und alles andere als alterungsbeständig und reversibel sind. Teilweise findet man Bücher, die nichts mehr mit einem alten Buch zu tun haben. Das alte Leder ist entfernt und vollständig erneuert, das Papier beschnitten und gebleicht.

 

Die Reihe an negativen Beispielen von Buchrestaurierungen, die den Restauratoren heute tief ins Herz treffen, ist nahezu endlos. Doch die Fehler aus der Vergangenheit führten erfreulicherweise zu einer Sensibilisierung der Restauratoren und zu einem bedachterem Umgang mit unserem kulturellen Erbe. Der Minimaleingriff ist die Antwort auf die gemachten Fehler in der Buch- und Papierrestaurierung und wird auch oft als "das neue Denken in der Buchrestaurierung" bezeichnet. Er entstand aus dem Bewusstsein heraus, das ein restauratorischer Eingriff immer mit der Gefahr einhergeht, historische Spuren zu verwischen und das Erscheinungsbild und die Authentizität zu verändern.